Im Jahr 1992 sind wir nach Phoenix gekommen und wohnen nun schon seit 31 Jahren im selben Haus, länger als sonst irgendwo.

Wenn man unsere Adresse auf Google Maps sucht, findet man unser Haus an einer T-Kreuzung, dort wo die beiden Linien sich treffen.

Jedesmal wenn Autos aus der Hauptstraße herauskommen, stehen sie unserem Zuhause gegenüber und während der Fahrer anhält, um vor dem Abbiegen nach links und rechts zu schauen, ist dort unser Jacaranda Baum, der um seine Aufmerksamkeit wetteifert.

Ein Baum mit einer wechselvollen Geschichte.

Als wir eingezogen sind, hatte ein hilfsbereiter Freund die Idee aufzuräumen und sägte den vertrockneten Stamm mit den dürren, unordentlichen Ästen dicht über dem Boden ab, sodass nur der kahle Stumpf übrig blieb. 

Da wir auf das Haus konzentriert und nicht mit der Pflege von Bäumen vertraut waren, haben wir die Leere ignoriert, bis wir zu unserer Überraschung eines Tages bemerkten, dass kleine Triebe aus dem kahlen Stumpf wuchsen.

In diesem Jahr ist das die dritte Auferstehung.

Und dieser dreimal zurückgeschnittene Jacaranda Baum blendet jetzt zufällig vorbeikommende Autofahrer, während sie durch ihre Windschutzscheibe spähen, aufgeschreckt von der Fülle des strahlenden Blaus.

Beim dritten Mal waren wir schon bereit gewesen den hässlichen Stumpf samt Wurzelwerk und allem auszugraben, hatten aber unseren Freund Santos, der sich mit wachsenden Dingen auskennt, um Rat gefragt und so noch gewartet.

Wir sahen, wie Stängel wieder anfingen ganz allmählich aus dem dürren Stumpf aufzukeimen und jetzt schnappen wir beim Anblick dieser Fülle von bleuen Kaskaden nach Luft.

Blühender Jacaranda Baum

Blüten des Jacaranda Baums

Ich erinnere mich daran, neben einem anderen Baumstumpf gestanden zu haben, am Ufer eines Flusses in der Nähe von Chelmno, Polen, dem mörderischen Zentrum, wo meine Eltern vergast und verbrannt worden sind. 

Und an die Verwunderung, große neue Triebe mit grünen Blättern aus dem enthaupteten Stumpf wachsen zu sehen.

Das war im Mai 2010 und ich erinnere mich daran, wie David spontan ein kleines Buch aus seiner Tasche zog und daraus las:

Denn es gibt Hoffnung für einen Baum, 

wenn er heruntergeschnitten ist, dass er wieder aufspriessen wird,

und dass seine Schösslinge nicht erlöschen werden.

Auch wenn seine Wurzeln in der Erde altern,

und sein Stumpf im Boden stirbt,

wird er dennoch mit einem Hauch von Wasser aufkeimen

und seine Zweige ausbreiten wie eine junge Pflanze.

Meine Krone in der Asche, Bild 46 im Bildteil

Gibt es einen gerechten Gott, dem wir Tod, Verderben und all das Unrecht in unserer Welt gefahrlos anvertrauen können?

Gibt es eine Verheißung für die Auferstehung?