‚Schatten‘, ein neues Mahnmal zur Deportation in Amsterdam; Künstler: Rom Katzir, Foto aus der New York Times

Schatten

Meine Augen werden angezogen von einer Reihe von Fotos, die eingebettet sind in einen Artikel von Nina Siegel in der New York Times. Der Artikel trägt den Titel: Fotos, die von den Nazis zur Dokumentation des Holocaust gemacht worden sind

Niederländische jüdische Leiter, Fotograph: Hermann Heukels, Amsterdam 1943

Fassungslosigkeit, Fotograph: Hermann Heukels, Amsterdam 1943

Was sehe ich? Individuen, die Sterne tragen, gelbe Sterne, ängstliche Gesichter, Gedränge, … Ich stocke beim Scrollen und verweile bei einem Foto von Vater und Tochter, beide blicken geradeaus zum Hintergrund des Bildes mit horizontal verlaufenden Begrenzungen aus Metall, Gepäck und Verzweiflung.

Vater und Tochter, Fotograph: Hermann Heukels, Amsterdam 1943

Es ist der 20. Juni 1943, Vater und Tochter gehören zu den niederländischen Juden, die auf dem Olympiaplein in Amsterdam zusammen getrieben werden. Es ist ein glühend heißer Tag, aber sie tragen dicke Wintermäntel.

Ich bin eine deutsche Jüdin und mein Vater und meine Mutter wurden auch auf diese Weise zusammengetrieben, nur, dass sie die verhängnisvolle Aufforderung in Köln erst nach meinem Entkommen nach England erhalten haben. Hätten sie mich nicht fortgeschickt, könnte das genauso gut mein Vater mit mir sein…

Die Fotographien von Hermann Heukels waren eine bedeutende Quelle für Historiker, die sich mit dem Holocaust beschäftigt haben. Aber erst kürzlich kam eine alte Schachtel mit Familienbriefen zutage, die enthüllten, dass Hermann Heukels ein niederländischer Nazi gewesen ist, der sich unter die verängstigten Juden auf dem Olympiaplein gemischt hat mit der Absicht, Motive für Propaganda Aufnahmen zu finden.

Was sehe ich im Jahr 2022?

Gestern habe ich eine Buchbesprechung der Wiener Holocaust Library (Einrichtung der Holocaustforschung in London, benannt nach Alfred Wiener) angeschaut mit dem Titel ‚Antisemitismus in den sozialen Medien‘. Dabei dachte ich über alle jene Bilder und Worte nach, über die Propaganda mit ihren fortwährenden Angriffen auf unsere Sinne.

Soll ich mich abwenden und meine Augen davor verschließen?

Oder mich bemühen es wahrzunehmen … um Erkenntnis bitten?