Schmalspur Gleisstrecke nach Chelmno | Foto von Global Story Films

Drei Reisen nach Polen

Man könnte sagen, es waren Pilgerreisen ans Ende der Welt.

Jede dieser drei Reisen endete am Ort des Todes meiner Eltern und der Schändung ihrer Leichname.

Am 2. Mai 2010 bestiegen 10 von uns auf den Gleisen des Bahnhofs Radegast an der Ecke zum Ghetto von Lodz einen Eisenbahnwaggon, eine Nachbildung des Viehwaggons, der meine Eltern vom Ghetto zum Verbrennungsofen im Wald gebracht hat.

Gebet im Güterwaggon | Foto von Ryan Thurman

Am 3. Mai 2010, dem Jahrestag ihres Todes, war ich mit George und 8 Freunden zusammen und wir haben das Trauergebet, das Kaddish, an der Ausgrabungsstelle eines Verbrennungsofens tief im Rzuchowski Wald, eine kurze Autofahrt von Chelmno entfernt, gesprochen.

Wir hatten den Wald nach einer dramatischen Begegnung vor dem geschlossenen Metalltor erreicht, welches das Gelände eines zerstörten Gutshauses sichert, das der Sammelpunkt für mindestens 172.000 Menschen gewesen ist, die zwischen Dezember 1971 und Juli 1944 getötet worden sind. (encyclopedia.ushmm.org) 

Weil der 3. Mai ein polnischer Feiertag war, konnte man das Gelände des ehemaligen Gutshauses nicht betreten.

Ich sehnte mich danach, genau an der Stelle zu beten, an der meine Eltern zusammen mit etwa 70 anderen Juden in einen grauen Lastwagen gepfercht worden waren, bevor die Türen verschlossen wurden, man den Motor aufheulen ließ und sie alle auf dem Weg zum Wald vergiftet wurden.

Verena aus Österreich stand neben mir am Tor. Sie sank auf ihre Knie, während sie die Metallstangen des Tors umklammerte, und begann in tiefer Reue über die aktive Rolle ihres Vaters im Holocaust zu weinen. Und dort am verschlossenen Tor umarmten wir uns in Vergebung und Versöhnung.

Kaddish | Foto Ryan Thurman

Sechs Jahre später kehrte ich nach Lodz zurück, dieses Mal auf Einladung der Chemin Neuf Gemeinschaft (‚Neuer Weg’ – Gemeinschaft in der Katholischen Kirche mit ökumenischer Berufung).

Gerold, ein Priester in Bonn, hat Meine Krone in der Asche gelesen bei der Vorbereitung auf Paradise in the City (Paradies in der Stadt), einem internationalen Event in Verbindung mit dem Weltjugendtag, der 2016 in Lodz stattfand!

Er schlug Kapitel 16 auf, und als er las, dass meine Eltern 1942 im Ghetto von Lodz eingeschlossen waren, hat er mir eine Email geschickt mit der Einladung, meine Geschichte den Jugendlichen aus vielen Nationen, die in Lodz zusammen gekommen waren, zu erzählen. 

Chemin Neuf hat Filmaufnahmen von Paradise in the City gemacht, und das Filmteam ist mit George und mir sowie einer kleinen Gruppe von meist deutschen Teilnehmern nach Chelmno gereist.

Dieses Mal war das Metalltor weit geöffnet und der Leiter eines neu gegründeten Museums hat uns schweigend an den Ausgrabungsort geführt, wo der graue Lastwagen mit geöffneten Türen geparkt hatte … und als Gruppe haben wir dicht beieinander gestanden und gebetet …

Gemeinsames Gebet | Foto von Ryan Thurman

Jetzt, gegen Ende April 2024, sind Global Story Films, David und Kathi Peters zusammen mit Micah Dailey nach Polen geflogen, um den polnischen Teil der Geschichte meiner Eltern für den Dokumentarfilm #8814 einzufangen, während George und ich dieses Mal in Phoenix zurück bleiben.

In Lodz im Bahnhof Radegast standen sie im selben Eisenbahnwaggon.

Im Eisenbahnwaggon 14 Jahre später | Foto von Global Story Films

Sie fuhren nach Chelmno und wurden von Bartek Grzanka begrüßt, demselben Kurator, den wir schon 2016 getroffen hatten. Er führte sie in ein vollständiges Museum und hat sich an uns von diesem ersten Besuch, 18 Jahre zuvor, erinnert!

Bartek | Foto von Global Story Films

Weiter ging es zum Rzuchowski Wald, wo sie den langen Weg an all den Mahnmalen für die ermordeten Juden, Schtetl für Schtetl, vorbei liefen bis zum Ausgrabungsort des Verbrennungsofens. Schließlich haben sie denjenigen erreicht, wo wir bei unserer ersten Pilgerreise 2010 zwei Kerzen angezündet und das Kaddish gesprochen hatten.

Ausgrabungsort eines Verbrennungsofens | Foto von Global Story Films

Starker Trost

… damit wir …  einen starken Trost hätten, die wir unsere Zuflucht dazu genommen haben, die vorhandene Hoffnung zu ergreifen. Diese haben wir als einen sicheren und festen Anker der Seele …

Hebräer 6: 18 – 19

Die Erinnerung an meine Eltern ehren | Foto von Global Story Films