Schultüte | Erster Schultag Deutschland in den 1930ern
Es ist Juni hier in Phoenix, Zeit zum Entspannen und damit zu beginnen, die trägen Sommertage zu genießen ….. aber meine Gedanken beschäftigen sich mit einer Einladung, meine Geschichte mit einer Gruppe von Lehrern zu teilen, die im November in der Burton Barr Bibliothek an einem Tag teilnehmen mit dem Focus Holocaust Bildungsarbeit!
Arizona ist einer von 29 Staaten, wo Bildungsarbeit zum Thema Holocaust vorgeschrieben ist.
Wozu diese Beschäftigung mit einer Veranstaltung 5 Monate im Voraus?
Vielleicht bin ich durch die Angriffe auf Juden vor Kurzem in Washington DC und Boulder, Colorado beeinflusst.
Wie soll man an die Bildung zum Holocaust herangehen in unserer heutigen Realität, einer Explosion von Verachtung, Gewalt, Lügen, Angriffen auf die objektive Wahrheit, Ignoranz über die Weltgeschichte, grobem Eigennutz und dem Wiederaufleben von Antisemitismus?
Werden jene frühen deutschen Schultage bei Lehrern einen Nachhall finden?
Bilder sind von Bedeutung
Gemünd, Eifel, Deutschland 1938
Wir wohnten in der Dreiborner Straße, der Hauptstraße von Gemünd, nur einen kurzen Fußweg vorbei an den Geschäften und der katholischen St. Nikolaus Kirche, über die Brücke zu meiner ersten Schule entfernt, mit der Evangelischen Trinitatis Gemeinde auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Ich war begeistert von dieser neuen Lebensphase, trug einen Lederschulranzen auf dem Rücken, der eine kleine Schiefertafel enthielt, bei der aus einem Loch im Holzrahmen ein kleiner gestrickter, quadratischer Lappen baumelte und die gegen eine rechteckige Schachtel klapperte, die gefüllt war mit Griffeln, die in dünnes, buntes Papier eingewickelt waren.
In meinen frühesten Erinnerungen an die Schule sitze ich dort, schaue hoch zum Kreuz an der Wand, während ich mein Rechenbuch öffne und rote, blaue, grüne und gelbe Bälle zähle; ich betrachte die Details der Mädchen mit ihren langen, blonden Zöpfen in ihren farbenfrohen Dirndlkleidern und den Jungen, die Lederhosen tragen …
vielleicht könnte Rechnen Spaß machen?
Als ich eines Tages nach oben schaute, war das Kreuz ohne Vorwarnung oder Erklärung verschwunden; es war ersetzt worden durch das beunruhigende Portrait eines Mannes mit schwarzem Haar und einem schmalen Schnurrbart.
Auch unsere Rechen- und Schreibbücher waren neu.
Jetzt mussten wir Bilder von Panzern, Gewehren, Soldaten und Hitlerjugend in Tarnkleidung addieren und subtrahieren und Worte abschreiben unter manipulativen Illustrationen.


Quelle: Sammlung der Wiener Holocaust Library – Bibliothek in London, benannt nach Alfred Wiener
Worte sind von Bedeutung
Es ist November 1938 und die ganze Schule läuft umher auf dem Beton Spielplatz zwischen den Klassen, und plötzlich stehe ich zwischen der kleinen Gruppe von jüdischen Schülern; wir werden umringt von allen anderen Schülern, die um uns herum tanzen und brutale, abscheuliche Nazi Lieder singen.
Und dies war der letzte Tag in meiner ersten Schule.

Kopie eines Briefes, datiert auf den 15.November 1938, von der Britischen Botschaft in Berlin an Lord Halifax, in dem er darüber informiert wird, dass es Juden nicht länger erlaubt ist deutsche Schulen zu besuchen.
Der Brief erwähnt die ‚Kristallnacht‘ vom 8. auf den 9. November nicht, die Nacht in der Synagogen niedergebrannt, jüdische Geschäfte zerstört und Juden verhaftet wurden, lediglich die Ermordung eines deutschen Botschaftsangehörigen in Paris durch einen jungen Juden.
Und die Gefahren nahmen noch zu.
Köln
Am Abend des 24. Juli 1939, einem Montag, brachten mich meine Eltern zum Kölner Hauptbahnhof. Sie halfen mir die steilen Stufen zum Zug hinauf; als ich mich umdrehte, um Ihnen zu winken, weinten sie und es war das letzte Mal, dass wir uns sehen würden.

Der Kindertransport, Köln, Hauptbahnhof; Textilkünstlerin Laura Nathan
Ich war Teil des Kindertransports, einer monumentalen Rettungsaktion für nahezu 10.000 jüdische Kinder aus Deutschland, Österreich, Polen und der Tschechoslowakei.
Wir wurden als unbegleitete Flüchtlinge von Großbritannien aufgenommen.
Eine großzügige Anstrengung, aber ein kleiner Bruchteil verglichen mit den anderthalb Millionen Kindern, die umkamen.
Für meine Eltern gab es keinen sicheren Ort, sie wurden zum Ghetto von Lodz deportiert und im Mai 1942 in Chelmno, Polen, vergast.
Neue Bilder
Neue Worte
Am 1. September 1939 begann der 2. Weltkrieg. Ungefähr zu dieser Zeit ging ich, begleitet von einem großen Mädchen aus der Nachbarschaft, von der Coventry Road 167 los, überquerte die geschäftige Straße, folgte einem Grasweg zu meinem ersten Schultag in der Exhall Council Junior School.
Ich erinnere mich daran, eine hölzerne Schulbank mit ihr zu teilen und daran, dass der Lehrer uns anwies eine Grenze darauf zu zeichnen.
Ich flüsterte: ‚Was ist eine Grenze?‘ Sie fand das so lustig, dass sie sich meldete, um die ungewöhnliche Frage mitzuteilen.
Plötzlich fand ich mich in einem anderen Klassenraum wieder, die Kinder waren jünger und die Lehrerin war herzlich, rundlich und lächelte.
Ich denke über die Reihe von traumatischen Erfahrungen nach, die ich 1938/1939 durchlitten hatte … die antisemitische Beschimpfung auf dem Schulhof in Gemünd, den plötzlichen Abschied von meinen Eltern, den Verlust von Sicherheit, von familiärer Nähe, Liebe, Annahme, Sprache, Kultur, von allem, was vertraut war.
Und ich erinnere mich an die Lehrerin, an ihren Namen kann ich mich nicht mehr erinnern, aber eingebrannt in meine Erinnerung ist das Empfinden, dass sie mich mit meinen sprachlichen Einschränkungen akzeptierte. Sie schuf einen sicheren Raum.
Mein Lieblingsteil jeden Schultags war die Geschichtenzeit, während der unsere Lehrerin eine Kindergeschichte vorlas und uns in eine andere, magische Welt beförderte.

Rückkehr zur Exhall Council Junior School, etwa in den 1990ern
Worte sind von Bedeutung
Denn aus der Fülle des Herzens redet der Mund
Matthäus 12:34
Bilder sind von Bedeutung
Öffne meine Augen, auf dass ich sehen möge
Freie Übertragung von 2. Könige 6:17