Abschlussklasse der Nuneaton Highschool, Juli 1948. Sheila ist die Zweite von links in der zweiten Reihe und ich bin die Dritte von links in der vorderen Reihe

Ich erinnere mich an meine Klage von vor so vielen Jahren.

Als ich eines Abends spät im Bett lag, war es Sommer in Coventry, England, und die Sonne schien noch. Ich konnte nicht schlafen und schrie die Worte ‚Warum ich?‘

Vielleicht war das 1944 und ich war 12 Jahre alt. Meine beste Freundin war Sheila Deming, und an jenem Nachmittag war ich bei ihr zu Hause zum Tee eingeladen gewesen.

Jetzt, am Ende des Tages, durchlebte ich nochmals die Erfahrung, gemeinsam am Tisch zu sitzen, ein Teil der Familie zu sein, das Auf und Ab eines Lebens mit einem Vater, einer Mutter und drei Brüdern.

Sieben Jahre lang hatte ich dazugehört. Wir waren zu dritt, Vater, Mutter und ich. Die Vertrautheit war intensiv gewesen und der Verlust unermesslich.

Heute, im Juni 2025, sortiere ich alte Fotos und Dokumente und lege sie hintereinander in transparente Umschläge, bereit für die Übergabe an ein Holocaust Museum.

Ich schaue eine alte Postkarte intensiv an.

Postkarte aus Berlin, abgesendet am 18. Juli 1939

Und plötzlich kehrt die alte Frage zurück, 

Warum ich?

Statt von Verzweiflung ist mein inneres Gespräch dieses Mal, vielmehr von Verwunderung durchsetzt.

Die Briefmarke fehlt, wer hat sie abgelöst?

Um sie zu einer Sammlung hinzuzufügen, oder war Hitlers Gesicht zu widerwärtig?

Sie ist datiert auf den 18. Juli 1939, adressiert an

Zimmer 154, Isrl. Asyl, Köln, Ehrenfeld (Jüdisches Krankenhaus in Köln).

Geschickt von meiner Tante Lisbet aus Berlin, sie schreibt  Meine liebe süße Maus…‘

Ich hatte gerade eine notfallmäßige Blinddarmoperation gehabt in dem einzigen jüdischen Krankenhaus in der Region, das jüdische Patienten noch behandeln konnte.

Nach der Kristallnacht oder Reichs Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938, als Synagogen und jüdische Geschäfte angegriffen worden waren, wurde jüdisches medizinisches Personal aus deutschen Kliniken entlassen und jüdische Patienten wurden nicht mehr aufgenommen.

Zu dieser Zeit wurden meine Familie und unsere jüdischen Nachbarn aus unserem kleinen Heimatort, Gemünd, vertrieben und in der Großstadt Köln untergebracht.

Und als ich nochmals auf das Datum auf der Postkarte von meiner Tante schaue, dämmert es mir, dass ich wohlmöglich nicht überlebt hätte, wenn wir nicht gezwungen gewesen wären, in die Großstadt zu ziehen mit dem einzigen jüdischen Krankenhaus in der Region.

Ich grabe tiefer in meinen undeutlichen Erinnerungen; das handgeschriebene Datum, der 18.Juli 1939, auf Tante Lisbets Postkarte verdeutlicht, wie kurz die Zeitspanne zwischen der Operation und meiner Flucht nach Großbritannien mit dem Kindertransport war, als ich meine Eltern und Köln verließ … nur eine Woche.

Das Verankern des Ablaufs der Ereignisse in Echtzeit, erklärt die Ängste meiner Mutter, mich mit dem Kindertransport gehen zu lassen. Ihre heftige Uneinigkeit mit meinem Vater, ihr Schrei ‚Es geht ihr nicht gut genug für die Fahrt‘, und das lebensrettende Insistieren meines Vaters ‚Sie muss fahren‘.

Mein Vater hat sich durchgesetzt …

Ist das wirklich passiert? Bilde ich mir alles nur ein?

Während ich diesen Blog voller Fragen schreibe …

wird von Dr. Amy Williams der neueste Forschungsbericht zum Kindertransport 

veröffentlicht, blogs.timesofisrael.com

Titel: Discoveries beyond the Kindertransport lists:The journeys on the ferries. (Entdeckungen hinter den Kindertransport Listen: Die Reisen mit den Fähren)

Die SS Vienna

Von mir wird berichtet, dass ich mit diesem Schiff Hoek van Holland verlassen habe, um am 26. Juli 1939 um 5:30 morgens in Harwich zu landen.

Fürwahr, der Herr ist an dieser Stätte, und ich habe es nicht erkannt!

Jakob (Israel) 1. Mose 28,16